Im Leben trifft man selten auf Menschen, die einen so sehr beeinflussen, dass man ihre Worte jahrelang wie ein Echo im Inneren hört. Einer dieser Menschen ist mein Yogalehrer Young Ho Kim. Ich habe ihm vieles zu verdanken. Sein Wissen und seine Erfahrung in Yoga und anderen Philosophien sowie seine außergewöhnlichen Methoden haben mich zum richtigen Zeitpunkt genau dahin gebracht, wo ich hinmusste. Ich möchte die Welt wissen lassen, was für ein großartiger Lehrer er ist.
Unser Interview fand vor langer Zeit statt, in einem netten asiatischen Restaurant. Ich hatte damals die Idee, ein Buch mit Porträts verschiedener Yogalehrer herauszubringen. Young Ho kam gerade aus Luzern. Er ist ein wandernder Yogi und ich war außer mir vor Freude, dass er sich für unser Interview Zeit genommen hatte.
Seine Karriere begann mit einer Beziehungskrise, woraufhin Young Ho regelrecht nach L. A. floh. Dort traf er auf seine Mentorin, die sich gerade mit Yoga beschäftigt hatte. Trotz seines Studiums flog er hin und hat seine ersten, dazu auch noch intensiven Erfahrungen mit Yoga gemacht. Es sei ein Wendepunkt für ihn gewesen. Seine Eltern waren damals alles andere als begeistert: „Ich meine, sie waren ja gegen Yoga. Meine Eltern … du musst dir vorstellen, ich habe auch Verständnis dafür … meine Eltern haben ja sehr viel riskiert. Mein Papa war vierzig, so wie ich jetzt, und hat dann entschieden, nach Deutschland zu gehen. Alles aufzugeben, um uns eine bessere Bildung zu bieten. Ich weiß nicht, ob ich es jetzt packen würde, mit meiner Familie irgendwohin zu reisen, wo ich nicht mal die Sprache spreche. Und dann alles von null aufzubauen. Meine Eltern haben das gemacht, um mir eine gute Schulbildung zu bieten. Damit ich was Ordentliches lernen kann. Ich war sehr gut in der Schule. Ich bin mit 13 rüber und mit 18 habe ich ein Einser-Abi gemacht. Und meine Eltern waren sehr stolz und natürlich hatten sie Riesen-Erwartungen. Dann bin ich zur Eliteuni gegangen, hab auch dort sehr gute Noten gehabt, habe Maschinenbau studiert. Also haben sie gedacht, ihr Sohn wird jetzt richtig Karriere machen. Dann habe ich irgendwann gesagt: ‚Ich mache jetzt Yoga.‘ Meine Eltern haben gesagt: ‚Ne, auf gar keinen Fall, das ist auch kein Beruf. Es ist nichts Anständiges.‘“
Seit 1989 lebt Young Ho in Deutschland. Sein Vater wurde beruflich hierher versetzt und das kam Young Ho sehr gelegen. Er war gerade im Alter von 13 Jahren, und wäre er in Korea geblieben, hätte er sich zwischen Sport und Schule entscheiden müssen. Dies war in Deutschland nicht der Fall. Er musste zwar die Sprache von null auf lernen, aber der Sport hatte ihm großes Selbstvertrauen gegeben: „Weil, obwohl ich die Sprache ja nicht konnte, konnte ich mich über Sport ausdrücken und mit Leuten kommunizieren. Und ich habe tatsächlich … kaum war ein Jahr vorbei, ich konnte kaum sprechen … und ich habe schon Leute unterrichtet.“
Mit sieben hatte er in Korea mit Taekwondo begonnen. Als er nach Deutschland kam, hatte er bereits den zweiten Dan, den schwarzen Gürtel. Seinen Meister hat er hier erst mit 15 gefunden, bis dahin hat er diszipliniert selbstständig trainiert und teilweise sogar schon unterrichtet.
Young Ho ist überzeugt davon, dass es Karma gibt. „Ich glaube tatsächlich, durch die Erfahrung wird die These vom Karma immer wieder bewiesen, sodass ich dann sage: ‚Aufgrund meiner Erfahrung weiß ich, dass das Konzept Karma funktioniert‘“, sagt er. Auch an Religion generell ist einer der modernsten Yogalehrer sehr interessiert, besonders an interreligiösen Beziehungen. Jedoch steht er dem Ganzen schon immer sehr kritisch gegenüber: „Ich bin sehr interessiert an dem gewissen Etwas – was größer ist als ich.“
Schon bevor er mit Yoga angefangen hatte, war Kampfsport für ihn nicht die einzige Leidenschaft. Er machte auch Qigong und Zen-Gymnastik. „Yoga war ähnlich, aber für mich war es, wie soll ich sagen, weiblich. Es war mein Vorurteil. Es war so eine weibliche Geschichte. Ich war mitten im Vorurteil“, bemerkt er selbstkritisch und offen. „Es haben nur Frauen Yoga gemacht. Ich hatte generell so eine Antipathie Yoga gegenüber. Weil es erst mal weiblich war und recht zu sehr dogmatisch rüberkam und zu sehr an Formen behaftet war. Sei es an Pujas [Verehrungen, Ehrerweisungen] oder hinduistischen Ritualen und an hinduistischem … sozusagen Vokabular. All diese Geschichte – das war mir alles ein bisschen zuwider.“ Young Ho ist ein großer Fan von Klarheit, die Bhagavadgita finde er genauso interessant wie die Bibel, wo „aber mit Gleichnissen und Bildern Geschichten erzählt [werden], aber man kann auch direkt erzählen, genauso wie im Zen-Buddhismus halt. Es ist aber so in allen Religionen, es ist vergleichbar mit dem Talmud vom Judentum. Es ist alles interessant, aber erstens, man sollte es nicht wortwörtlich nehmen, zweitens, man kann sozusagen eine Reduktion machen und dann die klare Wahrheit, klare Botschaft vermitteln, anstatt drum herum zu erzählen. Es ist auch im Buddhismus so. Das gibt es im Mahayana-Buddhismus, es gibt buddhistische Richtungen, die auch sehr viele Geschichten erzählen, sehr viele Rituale haben, es ist gar nicht so meins. Zen-Buddhismus ist so klar, zack, so … so ist auch unsere Studie. Wenn du reinkommst … es ist eher klare Linie als verschnörkelte bunte Geschichte.“
Zum Zen-Buddhismus kam Young Ho über seinen Meister, der sich in dieser Philosophie sehr gut auskannte. Sein Meister war wiederum ein direkter Schüler von Meister Seung Sahn – dem Gründer der Kwan Um Zen Schule. Zu seinen Lebzeiten galt dieser als einer der drei lebenden Buddhas – Dalai-Lama, Thích Nhất Hạnh und eben Seung Sahn. So kam Young Ho in die Kwan Um Zen Schule und so habe er den Zen-Buddhismus kennengelernt. Es sei für ihn sehr bahnbrechend, sehr wichtig gewesen.
Young Ho glaubt fest daran, dass jeder in sich einen großen Lehrer trage, und das sollen die Leute entdecken: „Dass du nicht abhängig wirst. Das ist wie im Zen-Buddhismus. Du musst nicht abhängig von deinem Meister sein, seinem Stil oder sonst irgendwas. Die Wahrheit liegt in dir drin, du musst es nur erkennen. Aufwachen, erkennen. Deswegen … du musst dich nicht kleiner machen, größer, einfach … du musst du sein. Du musst deinen Lehrer erkennen, den Maha-Guru musst du erkennen. Das ist zu vermitteln – warum ich das mache. Und wie möchte ich das machen? Indem ich vorne stehe und Yoga unterrichte. Yoga als nur … sozusagen Vehikel, Kommunikationskanal, um diese Message ‚Maha-Guru ist in dir‘ zu vermitteln. Was mache ich? In Form von unserem Stil – Inside Flow – und auf unsere Art und Weise, bodenständige Art, zu unterrichten.“
Inside Flow ist eine einzigartige, innovative Art, Yoga zu unterrichten. Die Idee dazu kam Young Ho vor über 15 Jahren: „Was ich im Zen-Buddhismus ein bisschen vermisst habe, war die Verlinkung vom Geist zum Körper. Weil, in diesem Leben sind wir ein physisches Wesen. Aber wir sind nur an geistiger Erleuchtung interessiert, aber ich war schon immer sportlich und ich wollte schon immer was mit dem Körper machen. Und diese Verbindung der geistigen Spiritualität, und etwas mit dem Körper machen, ich habe Yoga gemacht und es war für mich so – das ist es! Ich kann mich mit dem Körper beschäftigen und gleichzeitig was mit meiner Spiritualität machen, und zwar auf bodenständige Art und Weise. Du musst nicht immer so abheben, esoterisch abheben. Ich kann auch Zen-like sehr bodenständig bleiben, trotzdem aber intensive körperliche Praxis einbinden.“
Young Ho ist der festen Überzeugung, man könne in jedem Alter Yoga praktizieren: „Solange du lebst, bist du in Veränderung. 50 % ist, was du mitbringst, und […] 50 % ist, was du jetzt machst. Du kannst gewisse Richtungen annehmen, in welche Richtungen du dich verändern möchtest. Solange du lebst, kannst du Yoga machen. Du musst nicht ganz akrobatische Sachen machen, [sondern] was dir passt.“
Für ihn selbst sind die Yogaübungen ein absolut normaler Bestandteil des Alltags. Sie seien so selbstverständlich wie das Zähneputzen. Da in seinen Klassen immer unterrichtet wird und er selbst darauf verzichtet mitzumachen, muss er immer fit bleiben. Doch auch den philosophischen Aspekt des Yoga kann er dank der Lebensherausforderungen gut integrieren: „Dort gelassen zu bleiben, dort die Klarheit zu behalten, gerade in schwierigen Situationen, zwischenmenschlich, oder als Papa, oder als Lebensgefährte. Es gibt immer Situationen … oder mit den Eltern. Dort Klarheit zu bewahren, nicht emotional hin- und hergerissen zu sein.“
Young Ho ist eine der authentischsten Personen, die mir je begegnet sind. Er ist sehr konsequent und zeigt überall seine Integrität. Er glaubt, es sei viel einfacher, ehrlich zu sein, ohne Maske. Auch er erlaubt sich mal emotional zu sein, weil jeder schließlich nur ein Mensch ist. Auch eine persönliche Geschichte tischt er mir auf: „Es gab einen Vorfall, da war ich 16. Das war ein Wendepunkt, ich habe so ganz viele Wendepunkte in meinem Leben. Da ist mein Bruder involviert und zwar … mein Bruder war damals zehn. Er kam damals nach Hause und er war komplett entstellt, er war verprügelt. Von einem Jungen, der genauso alt war wie ich, 16 Jahre alt. Also … es ist ein Erwachsener und ein Kind, ja. Mein Bruder war komplett entstellt und ich war so wütend, ich bin ausgerastet. Ich bin dann auf die Suche, ich habe ihn dann gefangen und ich habe ihn beinahe umgebracht. Ich habe ihn vom zweiten Stock runtergeschmissen. In dem Moment habe ich einen Schock bekommen und habe gesagt, ich muss meine Emotionen unter Kontrolle halten. Ansonsten … es endet nicht gut. Und das war der Wendepunkt, wo ich sagte: ‚Okay, ich muss drüber meditieren und klarkommen!‘ Und Zen-Buddhismus hat mir sehr geholfen, und seitdem habe ich es unter Kontrolle. Naturell bin ich sehr temperamentvoll, das habe ich von meinem Papa, er ist cholerisch, flippt aus manchmal. Das ist meine Natur, aber tatsächlich … durch Zen-Buddhismus habe ich das unter Kontrolle. Also du wirst selten erleben, dass ich … also eigentlich so gut wie nie … dass ich laut werde oder dass ich – boom! Ich haue manchmal auf den Tisch und sage: ‚Okay, pass auf, das ist die Richtung, das machen wir so!‘“
Das Leben als wandernder Yogi fordert einen heraus. Dafür hat Young Ho seine Prinzipien, er spart nicht am guten Essen und an komfortablen Hotels: „Ich sorge dafür, dass es mir gut geht. Sozusagen Selbstliebe. Das Hotel muss schön, sauber sein, ich habe genug Raum, wo ich praktizieren kann. Und an Essen spare ich nicht, ich will kein Fastfood, ich will kein schlechtes Essen haben. Ich will gute Qualität haben, dafür bin ich auch bereit zu zahlen. Da spare ich null. Ich praktiziere in Hotelzimmer. Ich habe mir angewöhnt, ohne Matte zu reisen, ohne Matte zu praktizieren, ich habe meist erst im Hotel Holzboden, es ist super!“
Dank Yoga hat Young Ho gelernt, er selbst zu sein. Doch er hat auch einige Ansprüche wieder aufgegeben. Zum Beispiel die Vorstellung, er sei erleuchtet oder irgendjemandem überlegen: „So gesehen hätte ich ein Mönch werden müssen, aber die Anziehung zu Frauen war zu stark, das konnte ich nicht ablegen, aber trotzdem habe ich so getan, als wäre ich so gut wie ein Mönch.“
Young Ho hat recht früh erkannt, dass er das weltliche Dasein mit der Spiritualität verbinden wollte: „Ich weiß noch, mit 20 war ich zu einem Kumpel namens Uwe sehr ehrlich … der, mit dem ich so lange spirituelle Praxis gemacht [habe]. Am Hamburger Bahnhof habe ich ihm gesagt: ‚Es gibt zwei Punkte, darüber hinaus will ich wachsen, ich möchte eine Antwort finden. Und zwar ganz einfach: Frauen und Geld.‘“ Nach unzähligen Stunden der Meditation kam er zum Schluss, es müsse kein Kompromiss gemacht werden: „Es war ein Eyeopener bei Osho [ein indischer Philosoph und Begründer der Neo-Sannyas-Bewegung]. Es war ein Upgrade! Das ist noch besser! Es ist kein Entweder-oder. Ja, Sorbas der Buddha – das ist das, was ich will!“
Young Ho löst das Dilemma nach dem Verlangen von Geld ganz einfach: „Natürlich, wie wir alle Yogis am Anfang … habe ich gehadert mit Geld, immer dieselbe Geschichte: Was verlange ich denn? Ist das in Ordnung? Aber dann wiederum, wenn du überlegst … diesen Denkanstoß hat mir zum Beispiel mein liebster Freund Matt … hat mir gesagt, es gibt so viele Menschen, die Menschen und Umwelt schaden und Menschen verletzen und dabei so viel Geld verdienen. Warum sollen Yogalehrer, die Menschen was Gutes tun, der Umwelt was Gutes tun, Menschen glücklich machen, kein Geld verdienen? Und sogar ein schlechtes Gewissen haben? Es geht genau andersrum: Yogalehrer sollen sogar mehr Geld verdienen, da genau die Yogalehrer die Welt in Richtung Positivität hinlenken. Das ist die Belohnung dafür. Und so gesehen, auch im Yoga oder Buddhismus war das so, zum Beispiel die Bettelmenschen im Buddhismus: Sie sind nie würdelos: ‚Oh, gib mir ein bisschen Geld‘, sondern andersrum: ‚Ich bete für die Welt, ich meditiere, um die gesamte Menschheit, um die gesamte Existenz zu retten, und du darfst mir was spenden.‘ Das ist ein komplett würdevoller Weg zu betteln und die Menschen sind dann dankbar: ‚Hey, danke, dass du das machst, danke, dass du meine Gabe annimmst.‘ Und so war das auch in der yogischen Kultur. Die Yogalehrer damals, die Brahmanen, waren die wohlhabendsten, weil sie für … sozusagen spirituellen Reichtum gesorgt haben und die Leute glücklicher wurden. Und deswegen habe ich überhaupt keine Bedenken, was zu verlangen dafür.“
Das Yoga ist egoistisch. Young Ho meint, es gäbe nach dem Zen-Buddhismus einen kleinen und einen großen Egoismus: „Die Frage ist, wie du deinen Egoismus auslebst? Natürlich, heute mit einem Instagram-Account kannst du deinen kleinen Egoismus ganz schön ausleben, und das ist nicht mal Egoismus, sondern Narzissmus. Nach dem Zen-Buddhismus ist das kleiner Egoismus. Der große Egoismus wäre, wenn du sagst: ‚Okay, ich muss mich zuerst lieben, um die anderen zu lieben, ich muss erst mal meinen Körper reinigen, bevor ich den anderen helfe, ich muss erst mal selber gewisse Ansichten bekommen, bevor ich den anderen helfe.‘ Es hängt sehr viel davon ab, was für Intentionen du hast. Du kannst natürlich dich selbst belügen, und dann falsch wiederum attention, fishing for compliments haben, oder deine Intention ist rein und du möchtest damit Leute inspirieren. Sonya Suzuki, kennst du ihn? Das ist ein Zen-Meister, der Zen-Buddhismus nach Amerika gebracht hat. Er sagte: ‚Probiere nicht, die Welt zu erleuchten, das wirst du eher nicht schaffen. Was du machst, ist, deinen Platz, wo du gerade stehst, zu erleuchten. Und wenn der andere dann davon inspiriert wird, und seinen eigenen Platz dann erleuchtet, irgendwann ist dann die ganze Masse erleuchtet, dann ist die Welt auch gerettet.‘ Das heißt, du musst erst für dich arbeiten.“
Wie ich bereits erwähnt habe, ist Young Ho definitiv einer der modernsten Yogalehrer unserer Zeit. In seinen Klassen verwendet er moderne Technik, und damit ist sowohl die technische Ausstattung gemeint als auch die Technik des Unterrichtens. Er arbeitet mit hippen DJs rund um den Globus zusammen, erstellt selbst sehr präzise seine Playlists und sucht die tollsten, anspruchsvollen Locations aus. Sein Wissen rund um den Körper ist sehr umfangreich und ganzheitlich, seine Art, es zu vermitteln, ist einzigartig: „Yogis sollten nicht von der Welt abgeschnitten sein, sondern genau andersrum. Die Evolution vorantreiben. Das heißt, sie sind technisch basiert. Ich glaube nicht, dass wir gegen die Technik ankämpfen sollten, sondern eher mit Technik arbeiten sollten. Mit der Evolution, das heißt, sei es mit Internet, sei es mit mobile phone, mit den ganzen Geschichten. Sodass der Yoga dann sehr weltlich ist, und gleichzeitig sehr offen und ein sehr gutes Netzwerk besitzt. Das heißt, wie man Yoga macht, wird nicht so klassisch sein, sondern eher offen.“
Doch Young Ho gehört definitiv zu den offenen Lehrern und erzählt mir von seinen spirituellen Erfahrungen, bzw. wie er sich davon schließlich entfernt hat: „Im Qigong – es ist eine super esoterische Praxis, hat viel mit Energie zu tun. Mein Qigong-Meister hat gesagt, du stehst nur, du bist in einer Position und du hast gewisse Bilder, die du denken musst, und dann … dir vorstellen musst, und dann es ist richtig esoterisch. Und die ganzen Energiebahnen freischalten, all die Geschichten, allein durch die Vorstellungskraft und Atemübungen. Ich habe eine sehr, sehr krasse Erfahrung gehabt mit dem Qigong, weil mein Meister, musst du dir vorstellen … energetisch gesehen, es ist nachts zwischen elf und ein Uhr nachts ist die beste Zeit, energetisch zu arbeiten. Das habe ich gemacht, in meiner Studentenzeit. Jede Nacht zwischen elf und eins habe ich Qigong gemacht. Und zwar in meinem 16-m²-Zimmer in Wohnheim, und dann hat er noch gesagt, am besten, du bist alleine und nackig. [Wir lachen beide laut.] Und dann… tatsächlich, so nach einem Jahr … ich habe es wirklich gefühlt, wie alle meine Energiebahnen frei wurden, wie meine Kundalini komplett frei wurde und … man sagt, 82.000 Poren im Körper, dass sie sich geöffnet haben. Ich habe es wie Nadelstiche an meinem ganzen Körper gespürt und dann habe ich meinen Meister angerufen, um ein Uhr nachts und gesagt: ‚Meister, ich weiß nicht, was passiert ist, aber ich habe dies und jenes gefühlt‘; und er so: ‚Herzlichen Glückwunsch, deine 82.000 Energieporen sind aufgegangen und deine Kundalini ist … so.‘ Doch es hat sich nichts geändert: Dann habe ich irgendwann gemerkt: ‚So, was soll das?‘ Und ja, das war es. Und dann habe ich angefangen, von Esoterik … mich zu entfernen. Weil, ich habe dann die Erlebnisse gehabt, aber das hat mich als Person nicht verändert.“
Da ich mich gerne mit luziden Träumen beschäftige, konnte ich die Frage danach nicht auslassen. Solche Träume hat der Inside-Flow-Gründer schon längst vor seiner Qigong-Erleuchtung gehabt. Doch spannender sind die anderen Geschichten von Träumen: „Es gibt da zwei Träume aus [meiner] Kindheit. Sie sind so real, dass ich sie nicht vergessen kann. Es ist lustig. Der eine ist – ich habe … bis ich zehn Jahre alt wurde … haben wir in einem Haus gewohnt, und zwar direkt unter einem Berg. Ohne Nachbarn. Nur wir, unser Feld, und direkt vor unserem Haus war so ein Riesen-Bach. Wir waren komplett abgeschieden. Es war total cool. Und vor unserem Gartenhaus, da gab’s so eine Abstellkammer und direkt daneben war ein Riesen-Fels. Und dann … von dort aus ging es richtig runter und darunter war so ein Bach. Und ich als kleiner Junge, so sechs-sieben Jahre alt, ich hatte die Angewohnheit, Minimum einmal am Tag … an diesen Felsen, mich hinzustellen und da runterzupinkeln [wir lachen]. Das hat mir tierisch Spaß gemacht. So ein Riesen-Strahl da runter, so. Das Geile ist, das Bild hat mich so geprägt … und ich habe tatsächlich, bis ich zwölf Jahre war, ab und zu mal in der Nacht in die Hose gemacht. Ja, ja. Bis ich zwölf war, ab und zu. Immer wieder mal, kam zweimal im Jahr vor. War ein bisschen sensibel und so. Und jedes Mal wenn ich in die Hose gemacht hatte, hatte ich den Traum. Und dann … immer wenn ich den Traum hatte, bin ich aufgestanden auf Toilette und seitdem habe ich das nie wieder gehabt.
Ein anderer Traum war richtig ekelhaft, da konnte ich nicht schlafen. Ich war irgendwie beschäftigt, irgendwas hat mich gestört in meiner Jugend, elf Jahre alt war ich, glaube ich. Und ich habe so einen Albtraum gehabt, wo ich … ich glaube, so was hat jeder … ich bin irgendwie weggelaufen, und dann plötzlich in eine Grube reingefallen mit ganz vielen Schlangen. Und die Schlangen, die haben mich nicht gebissen, sie sind durch meinen Körper rein und dann wieder raus, so ooooh … das war ekelhaft! Das ist so ein Traum […] Jedes Mal kriege ich Gänsehaut, wenn ich daran denke. Das war so krass, dass ich dann tagelang nicht schlafen konnte. Das ist so, was so Träume betrifft.“
Sich selbst würde Young Ho als selbstbewusst, ein bisschen selbstverliebt, dominant, aber lustig beschreiben. Doch seine Dominanz ist sehr angenehm, man empfindet sie vielmehr als durchdachte Führung. Er selbst sagt mir: „Du warst in meiner Ausbildung. Ich sage ja, Unterrichten ist eine liebevolle Monarchie. Und das ist, was ich möchte. Ich möchte, wenn ich unterrichte … ich bin als Yogalehrer ein liebevoller Monarch. Da musst du dominant sein, da musst du führen.“
Momentan bemüht sich Young Ho um eine Kampagne rund um Antirassismus. Er möchte Menschen darauf aufmerksam machen, ein friedliches Statement abzuliefern. Man kann sich selbst bei Inside Flow anmelden und in sozialen Medien die entsprechenden Hashtags #flowforunity und #insideflow verwenden. Auch dem Thema, wie sich ein Yogi öffentlich positionieren und äußern soll, steht Young Ho sehr bedacht gegenüber und reflektiert dabei über sich selbst: „Ich bin der Meinung, du hast einen gewissen Einfluss auf die Menschen und die Frage ist: ‚Bin ich immer so politisch korrekt, Liebe und alles ist super?‘ Oder musst du auch manchmal geradestehen und sagst: ‚Pass auf, das finde ich nicht korrekt, was da passiert gerade.‘ Ich bin da sehr vorsichtig, weil mir bewusst ist, wenn ich was schreibe oder sage, das kann auch Leute … das kann auch manipulativ rüberkommen, und deswegen bin ich vorsichtig mit irgendwelchen spirituellen Weisheiten. Weil, es gibt Yogalehrer, die dann so deren Einsichten … so aufzwingen wollen, und das möchte ich auf gar keinen Fall. Sei es Veganismus, politische Ansichten oder so was. Wo ist die Grenze? Normalerweise will ich so politische Geschichten, Glaubens- oder Überzeugungssachen gar nicht posten oder unterrichten, aber manchmal, glaube ich, muss man es machen. Weil mir bewusst ist, dass ich Leute beeinflussen kann, lasse ich das aus. Weil, ich möchte nicht die Leute beeinflussen. Andererseits … das ist echt eine Kunst, dort eine Balance zu finden. Weil, ich finde es penetrant und sehr, sehr abstoßend, wenn gerade Yogalehrer sich über gewisse Sachen … sich hermachen und dann von oben herab so beurteilen: ‚Das ist richtig so, das ist falsch, was du da machst.‘ Das passiert, dieses Schwarz-Weiß-Denken ist zu oft da. Die Welt ist ja nicht schwarz-weiß. Aber bei manchen, gerade bei Trump, denke ich dann so, aber da ist es tatsächlich sehr schwierig zu sagen: ‚Ja, da muss es auch eine andere Seite geben.‘ Manchmal musst du einfach sagen: ‚Das ist einfach scheiße.‘ Nicht immer peace, love, harmony.“
Auch die erfolgreichen bekannten Lehrer wie Young Ho hatten ihre Herausforderungen auf dem Weg zu glory und fame: „Es gab ja natürlich immer wieder Niederlagen, auch finanzielle Engpässe, das heißt, dadurch auch Zweifel, ist das noch richtig? Genau die Phasen zu überqueren. Also, ich gab einmal … es war vor 13 Jahren … Ich habe damals noch in Rüsselsheim … noch gelebt, habe in Großzimmern unterrichtet, bin mit dem Zug hin und her. Ich war so blank, dass ich von Großzimmern nach Rüsselsheim … es hat 4,50 Euro gekostet, ich hab das Geld nicht gehabt … ich bin schwarzgefahren, zurück, um elf Uhr nachts. Ich wurde erwischt und ich wurde im middle of nowhere rausgeschmissen. Dann bin ich nach Hause zu Fuß gelaufen, da habe ich bitterlich geweint. Es waren die Momente, wo ich mich gefragt habe: ‚Vielleicht hätte ich doch lieber Maschinenbau studieren sollen.‘ Es war finanzieller Druck, wo es nicht immer alles so entspannt lief, da musste ich wirklich stark sein. Mein Selbstvertrauen aufbauen und schauen, in welche Richtung es weitergehen soll. Also, zum Glück habe ich damals nicht aufgegeben. Es war nicht immer einfach, es war nicht einfach. Ich konnte meine Autoversicherung nicht bezahlen. Ich wurde auf der Straße von einem Polizisten angehalten, musste dann sofort aussteigen, mein Auto wurde konfisziert und halt so was. Es waren keine schönen Sachen. Dann war es so … ‚Soll ich nicht lieber was Normales machen?‘ Weil, damals war die Szene auch noch gar nicht da.“
Ich frage meinen Lieblingslehrer abschließend, was seine Botschaft an die Menschheit wäre: „Heute, am Montag, dem 30. Januar 2017, die ganze Menschheit hört zu. Deine Botschaft an sie?“
Young Ho antwortet absolut wie erwartet: „Habt keine Angst vor Niederlagen! Weil, es ist alles Erfahrung. Was ist schon eine Niederlage? Du kannst davon so viel lernen und weiterkommen. Ich glaube, wir zögern zu viel, wir haben Angst vor Niederlagen, das ist, was uns im Weg steht, um uns weiterzuentwickeln.“