Alles was du tust oder nicht tust, glaubst du im Recht zu machen. Das ist normal. Subjektiv ist es immer das Richtige, selbst wenn du es später anzweifelst und in Retrospektive bedauerst, glaubst es anders gemacht zu haben sollen. In dem Moment, wo es geschieht, handelst du für dich richtig. Man könnte sagen, ohne den Schwur abzuliefern, handelst du immer nach bestem Wissen und Gewissen. Erhöhtes Bewusstsein (u.a. Achtsamkeit) kann dir helfen einen Überblick über dein Wissen und Gewissen beizubehalten. Was jedoch keine Absicherung gibt, dass du es später nicht bereuen wirst.
Ein Schritt näher zu Erleuchtung ist zu wissen, dass man nichts weiß. Doch auch bis man hier ankommt, dauert es eine Weile. Unser Gehirn ist so tricky, das kann man sich nur sehr schwer vorstellen, denn man glaubt immer etwas zu wissen. So glaubt man seinen Partner (oh ja, so viele Jahre im selben Bett zu schlafen!), eigene Kinder (oh ja, schließlich teilt man dieselben Gene und glaubt sie beim Wachsen beobachtet zu haben), den Kollegen, den Nachbarn, die Eltern zu kennen. Am Ende kennt mancher nicht mal sich selbst! Die, die es erkannt haben, unternehmen noch was, gehen zum Psychologen oder meditieren. Doch auch dies sind nur Instrumente, man darf erkennen und zugeben, dass man nicht einmal sich selbst je komplett kennen und erfahren wird.
Wenn wir morgens aufwachen und durch die Welt laufen, tun wir nichts anderes, als ständig eine Bestätigung unserer Überzeugungen zu suchen. Alles was da nicht rein passt, wird verworfen, umgedreht, schöngeredet, ignoriert etc. Es gibt sogar einen Dunning-Kruger Effekt, der bewiesen hat, dass je dümmer und unfähiger die Menschen sind, desto bessere Meinung haben sie über ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten. Alles, der selektiven Wahrnehmung und ARAS (aufsteigende retikuläres Aktivierungssystem) zu verdanken.
Es mag jetzt die Frage aufkommen, woher kommen unsere Überzeugungen? Von Überall. Von Kindheit auf haben wir eine Unmenge über uns selbst gelernt. Wir sind unser Name, Alter, Geschlecht, Position, Beruf, NC, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, Kleidungsstil, Psychotyp, Glaube, unsere politische Zugehörigkeit und vieles Mehr! Doch sind wir es wirklich? Hierzu kann ich eine außerordentlich effektive Meditation empfehlen. Man meditiere mit wiederholenden Mantren: „Ich bin nicht mein Körper. Ich bin nicht meine Gedanken. Ich bin nicht meine Gefühle.“ Nach Bedarf kann man auch sich von anderen, erst mal „einfacheren“ Sachen, lösen. „Ich bin nicht mein Besitzt.“ Oder „Ich bin nicht mein Unternehmen“ kann schon sehr hilfreich sein.
Was beeinflusst diese Überzeugungen? Was lässt uns sie aufrechterhalten? Genau dasselbe, was uns glauben lässt, dass wir mit bestem Wissen und Gewissen handeln – unsere Denkweise! Es gibt vier Stufen.
Zunächst ist es das fremdbestimmte Denken. Man denkt das was andere einem sagen. Es ist leicht dadurch manipuliert zu werden. Die meisten haben viel zu großen Mangel an Selbstbewusstsein. Sie lassen sich überreden, sich Sachen einreden, oder schlicht und einfach folgen „der Tradition“. Die beste Erklärung ist „weil man es schon immer so tat“ oder „es gehört sich so“, „es ist in meinem Land so“, „es ist typisch für das Alter“, „weil sie eine Frau ist“ etc.
Wenn man jedoch irgendwann das Gesagte anzuzweifeln beginnt, wird man langsam anfangen eine eigene Meinung zu bilden und hier kommt die zweite Stufe: das Kontrast Denken. Es ist ein „entweder-oder“ Denken. Man hat zwar eine eigene Meinung, doch man glaubt gleichzeitig nur dies sei die einzig richtige Meinung. Keine spannende 417635 Farbnuancen, schlicht und einfach schwarz oder weiß. Leider kommen die meisten Menschen über diese Phase nicht hinaus.
Reflektierendes Denken ist die dritte Stufe. Hier kommt ein Hauch von Zweifel an den eigenen Schlüssen und Interpretationen. Man wird offener für die Meinung anderer Menschen und sogar fähiger diese zu akzeptieren. Vieles wird in Frage gestellt, und durch die Selbstreflexion sogar die eigene Meinung. Hier wird die Möglichkeit zur letzten Stufe des Denkens zu gelangen etwas höher, wenn man sein Wissen und Erfahrung stetig erhöht.
Das analytisch-kritische Denken ist ein Segen für die Menschheit. Das sind die Philosophen und die Wissenschaftler. Das sind die, die es durchaus auch gelernt haben zu denken, ja, das lernt man zum Beispiel an der Uni. (Was nicht zwangsläufig bedeutet, dass jeder, der an der Uni war, es auch gelernt hat!!) Das sind die Menschen, die hören müssen „denk doch nicht so viel nach“. Man darf jedoch ein analytisch-kritisches Denken nicht mit dem Grübeln verwechseln. Denn hier geht es nicht um die Menge des Gedachten. Viel mehr um die Qualität. Es impliziert, dass man im Stande ist Sachen zu hinterfragen und sie optimal in das bereits bestehende Wissen und Erfahrung zu integrieren. Es impliziert nicht nur ein hohes IQ, denn logisches Denken kann man lernen, es bedeutet auch ein hohes EQ. Die Entscheidungen kann man intuitiv richtig treffen.
Was ist also mit dem „immer im Recht zu handeln“? Naja, für den Moment, abhängig von deinen Überzeugungen und deiner Denkweise handelst du auf jeden Fall richtig. Dein Unterbewusstsein wird alles, wirklich ALLES tun, um dich zu schützen. Und geschützt bist du dann, wenn deine Psyche stabil ist.
Also, für mein Teil, auch wenn ich weiß wie sehr Weh mir eine oder andere Person tat, wenn ich weiß wer mich betrogen, belogen, hintergangen, beleidigt oder erniedrigt hat, weiß ich, dass diese Menschen sich selbst dessen wenig bewusst sind. Ich weiß, sie glaubten das Richtige in dem Moment zu tun. Ich weiß welche Mechanismen dahinter stecken, ich kenne die Schwächen und die Tricks, ich bin schließlich auch nur ein Mensch. Doch ich kann sie so einfach verzeihen, sie loslassen und mich davon befreien. Denn wo auch immer ihr Denken ist, wie auch immer ihre Überzeugungen sind, mein liebstes Unterbewusstsein schützt auch mich. Ich bin so glücklich, dass ich aussuchen kann was ich denke und fühle. Ich kann beinah glauben, es sei das Richtige.