Ich habe sehr lange vor mich hergeschoben, etwas zu dieser kritischen und vor allem sehr seltsam ungewöhnlichen Situation zu sagen. Die Entwicklungen der letzten Tage, ja nicht Wochen, sind rasant und der Geist kommt nicht nach. Kennst du es, wenn du sehr weit reist und am Ziel angekommen spürst du trotz körperlicher Anwesenheit, wie dein Geist noch nachkommen muss? Es braucht Zeit um sich wieder neu zu orientieren, sich wieder mit dem Körper zu vereinen. So läuft es momentan. Während COVID-19 bereits in den entferntesten Gebieten der Erde angekommen ist, braucht mein Geist immer noch Zeit um mit der aktuellen Situation zur Recht zu kommen. Das Schlimme ist, dass wir erst am Anfang einer neuen Ära stehen und können trotz der Prognosen, nur mit den Schultern zucken und mit weit geöffneten Augen in die unbekannte zukünftige Weite schauen. Wie viele werden in dieser Ferne ankommen?
Ich habe mir fest vorgenommen nichts zu dramatisieren, qualifizierte Nachrichten zu verfolgen und Schlüsse bloß aus zuverlässigen Quellen zu ziehen. Doch es gibt eine Seite des Geschehens – persönliche, die kann man schwer wegschieben, und sich davon zu distanzieren ist wesentlich schwerer, als von der ganzen Menschheit für die Prävention. Die Nachrichten von der ganzen Erde erreichen mich täglich auf allen Kanälen. Und sieh da – neben dem Virus und seinen Gefahren gibt es noch eine andere Seite – soziale. Ja, ich sehe (zu Recht) die Besorgnis um den Wirtschaftsstand, als Selbstständige habe ich es sofort erfasst, als all die Yoga Studios zugemacht haben: keine Kurse, Workshops, Ausbildungen, wovon soll man leben? Aber ich komme aus einem Land und einer Vergangenheit mit großer Erfahrung an einem Existenzminimum zu leben. Ich weiß was für Auswirkungen auf sozialer Ebene der Gap zwischen den Wohlhabenden und den Außengruppen hat. Dies macht mir am meisten Sorgen.
Die stornierten Urlaube, wovon ich selbst betroffen war, unerfüllte Träume oder temporär gebrochene Pläne ist nur ein sanfter Beginn. Doch bereits hier zeigen viele ein Ausmaß an Ungeduld und Wut. Dazu kommt, dass jeder erst Schritt für Schritt die COVID-19 Entwicklungen mitbekommt und somit rasten wir nicht gemeinsam aus, sondern immer wieder in Wellen. Je nachdem welche Nachricht wen auf welchem Wege erreicht. Während ich vor ein paar Tagen fassungslos da saß, weder Meditieren noch überhaupt tief atmen konnte, waren ein paar Freunde von mir noch recht unbesorgt und sahen mich als die „verrückte“, die voll zu Drama neigt an. Heute, nach dem ich angefangen habe, mich mit der Situation abzufinden, geschahen im privaten Umfeld der anderen ein paar „Eye Opener“ und schon rasten sie aus. Ich kann leider keine Unterhaltungen mit denen führen. Menschen, die sich als meine Mind-Verbündete, Soulmates und Gleichgesinnte angefühlt haben; Menschen, denen ich vertraute und auf die ich mich verlassen konnte. Sie stoßen ab, verletzen, sie verzerren die Realität und reagieren völlig inadäquat.
Es ist selbstverständlich, dass wir nie mehr zu der Normalität zurückkehren werden, die wir als „Normalität“ früher wahrgenommen haben. Laut RKI werden die Einschränkungen ca. für zwei Jahre bestehen bleiben, außer wenn ein Impfstoff gefunden wird, was nicht vor dem 2021 zu erwarten ist. Also werden wir eine neue „Normalität“ kreieren. Diese Zeit der Isolation ist der beste Weg zur Splittung und es erfordert viel Bewusstsein, viel mehr denn je, dem entgegen zu wirken. Emotionale Intelligenz ist gefragt und die Skills kann jeder entwickeln!
Yoga ist genau darüber – die Einheit wieder zu finden, und nicht nur zwischen dem Körper und dem Geist, worauf es oft reduziert wird, sondern die Einheit mit dem Ganzen zu erfahren. Mitgefühl suchen sich die Buddhisten aus, als den Weg um der Einheit näher zu kommen. In dieser neuen komplexen Zeit, in der Transformation, wo noch kein Zentrum sichtbar ist, um von den räumenden Kräften nicht weg geschleudert zu sein, soll man unbedingt sich immer wieder selbst zentrieren, ein Eigenes Zentrum suchen und dorthin immer wieder zurückkehren. Dort die Ruhe kultivieren, das Vertrauen wachsen lassen und sich davon nähren. Menschen, die sich von der außen Welt unaufhörlich abgelenkt haben, werden jetzt, wo sie gezwungen sind nach innen zu blicken, sich verloren fühlen. Sie werden ihr Inneres erblicken und wer weiß was sie dort finden, denn die meisten kennen sich selbst nicht. Sei gütig zu diesen Menschen. Erlaube diesen Menschen ihre Ängste, Wut und Verzweiflung auszuleben. Das sind die zerrenden Kräfte, die dich demnächst am meisten aus der Bahn werfen werden. Wenn deine geliebten Menschen Gutmütigkeit, Geduld, Mitgefühl, Dankbarkeit und Verzeihung vergessen werden. Wenn deine geliebten Menschen den Platz für die Angst räumen und die Liebe wegschieben werden. Wenn du glaubst Yoga praktiziert zu haben, dann ist das die Zeit in der du die Früchte deiner Praxis ernten und diese mit anderen teilen darfst. Verletze nicht mit voreiligen Schlüssen und unvorsichtigen Floskeln. Sei wahrhaftig mit anderen, insbesondere mit dir selbst, um möglichst früh dein Handeln in die richtige Richtung zu lenken. Beherrsche dich in deinem Konsum und lerne zu Teilen. Kümmere dich um deinen Körper – halte ihn rein und fit! Übe dich in Zufriedenheit – es ist nicht das Ende der Welt, es ist das Ende der Welt vor COVID-19. Diszipliniere dein Geist – sei dir deiner Gedanken bewusst und lass dich nicht aus deiner Mitte wegwerfen. VERTRAUE.
Liebe Viktoria,
ich habe gestern, ich weiß nicht warum, an dich gedacht und überlegt, wie es dir jetzt wohl so geht, nachdem die Yoga-Welt jetzt nur noch „online“ stattfinden kann. Leider hatte ich ja schon vorher kaum mehr Kontakt zu dir.
Deinem Blogartikel zu diesem bis heute allgegenwärtigen Thema konnte ich nicht wirklich entnehmen, wie du die Sache wahrnimmst (am ehesten warst du wohl hin- und hergerissen), und inzwischen ist auch so viel Zeit vergangen …
Ich habe in den vergangenen Wochen die Erfahrung gemacht, dass es wichtig ist, dass wir uns gegenseitig unsere Meinung mitteilen. Denn es kann nicht gut für uns sein, wenn wir nur über Dritte gesagt bekommen, was unsere Mitmenschen über diese Krise denken. Wenn wir aus Umfragen, die wir nicht nachvollziehen können, gesagt bekommen, wer im Moment zur Mehrheit gehört und wer nicht.
Ich bin der tiefen Überzeugung, dass sich in der Tiefe dieser Pandemie einige Irrtümer ereignet haben, die uns an diesen Ort und in diesen Zustand gebracht haben. Der größte Irrtum hat mit einem Verständnis von Leben, Tod und Gesundheit zu tun, dem der Kontakt zu unserer eigenen lebendigen Realität verloren gegangen ist. Dieses Virus kann sehr gefährlich werden, ja, aber das ist nur die eine Seite der Gleichung. Die andere Seite ist unsere Abwehrkraft und unsere Stärke, mit Gefahren und Risiken welcher Art auch immer umgehen zu können.
Wir wissen inzwischen ja sehr gut, dass dieses Virus fast ausschließlich Menschen schadet, die ihr eigenes lebendiges System, zu dem auch das Immunsystem gehört, über Jahrzehnte ignoriert oder geschädigt haben – durch schlechte Ernährung, mangelnde Bewegung, zu viel Stress, durch Rauchen und vieles andere. Diejenigen hingegen, die sich um ein bewusstes, gesundes und natürliches Leben bemüht haben, die dafür auch vieles geopfert haben, die z.B. auf eine Karriere, einen übertriebenen Status und vieles andere verzichtet haben, wie es auch viele Yoga- oder Bewegungslehrer tun, sind nun auch diejenigen, die den Preis zahlen müssen, obwohl das Virus für sie nur eine sehr geringe Gefahr darstellt.
Die Politik hat in einer Weise gehandelt, die sie für so viele Lebensrisiken der Vergangenheit nicht für nötig gehalten hat: All die Hunderttausende vorzeitigen Todesfälle pro Jahr, die sich auf schlechten Lebensstil zurückführen lassen (Fettleibigkeit, Kreislaufkrankheiten, Stoffwechselstörungen uvw.), waren der Politik keine Maßnahmen wert, einen Lockdown schon gar nicht. Dabei geht es nicht darum, irgendetwas gegeneinander aufzurechnen. Es geht nur darum, dass man bei vergleichbaren Risiken vergleichbar handeln muss.
Ich bin sehr traurig darüber, was in den letzten Monaten geschehen ist. Ich werde Politik, Medien und selbst der Wissenschaft nie wieder in dem Maße trauen können, wie ich es vor der Krise getan habe. Du gehörst zu den Menschen, die sich darum bemühen, anderen zu einem tieferen Verständnis von Leben und Gesundheit zu verhelfen, und ich halte dies gerade in Anbetracht dieser ganzen Ereignisse für wichtiger denn je. Es gäbe so viel mehr zu dieser Sache zu schreiben oder zu sagen, aber das wäre in einem Blog-Kommentar einfach nicht möglich.
Ich hoffe, dass du alles gut überstehst, und nachdem inzwischen absehbar ist, dass die Politik ihre Maßnahmen langsam zurücknimmt und uns Freiheit und Eigenverantwortung zumindest teilweise zurückgibt, hoffe ich, dass du bald auch wieder als Yogalehrerin arbeiten dürfen wirst. Insofern sehen wir uns vielleicht unter besseren Umständen irgendwann einmal wieder.
Viele liebe Grüße,
Matthias
Lieber Matthias,
vielen Dank für deinen Kommentar! Für all deine liebe Worte und, dass du an mich gedacht hast!
Es ist in der Tat eine schwierige kontroverse Zeit und nach dem ich hin und her gerissen war, hatte ich eine existenzielle Krise, die drei Wochen andauerte. Da habe ich viel verstanden, überlegt, gefühlt und mich sortiert.
Es ist immer wichtig unsere Meinung zu teilen, nur nicht immer ist es dem anderen so wichtig, wie einem selbst. Besonders jetzt wo jeder so ziemlich verstört ist.
Es tut mir Leid zu hören, dass du einen Vertrauensbruch erlebst.Die Zeit ist reif um uns viel Wahrheit zu zeigen. Gleichzeitig gibt es momentan „viel zu viel“ Wahrheit, die man vorsichtig wahrnehmen soll… und selbstverständlich in diesem Ausmaß kann sie schon mal überfordern. Eine große Welle der Enttäuschungen – also alle unsere Täuschungen, auch über uns selbst, werden enthüllt und es braucht Zeit (buchstäblich für unseren Gehirn) um sich umzustrukturieren. Kein wunder, dass alle auf eigene gewisse Art durchdrehen. Darum ging es auch in diesem Blog. Dass Menschen hinter dem Ganzen den Fokus nicht verlieren sollten… ich habe mich davor gleich gefürchtet und genau dies ist passiert. Aber auch ich habe mich inzwischen damit abgefunden und fühle mich wieder wohl. Ich hoffe dir wird es bald auch so gehen!