Es ist der letzte Augenblick. Es ist der Augenblick der Wahrheit.

Essay

Seit meiner bunten Teenager Zeit habe ich zwei ‚“proof-momente“ für mich. Ich rede heute nur über einen. Bis jetzt bediente ich mich meiner Imagination. Jedoch heute wurde ich von einer Feuerwehr Sirene, die über die ganze Stadt erstrahlte, inspiriert. Ich nutzte den Augenblick um die Vorstellung verstärkt zu empfinden. Das war einzigartige Möglichkeit sich Ende der Welt begleitend mit dem echten Ton vorzustellen. (Übrigens, für das Gehirn auf bio-chemische Ebene ist es absolut egal ob wir etwas vorstellen, sehen es im Traum oder erleben „wirklich“.)

Ich schließe die Augen und stelle mir vor – das ist die letzte Minute auf Erden. Jetzt fliegt auf uns ein so großes Komet (oder irgendein anderer Objekt aus dem All) und der Tod der ganzen Menschheit ist unvermeidlich. Man sollte sich dieser Moment der Ausweglosigkeit sehr detailreich und farbenfroh vorstellen. (Heute noch mit der Sirene, die im Naturkatastrophen Fall ertönen würde. Die Kirchenglocken haben alles noch sogar dramatisiert.) Der Komet ist so nah, dass man ihn sieht und hört, vielleicht riecht man es sogar, den Tod. Es bleibt nur noch…was bleibt da? Das ist der Moment der Wahrheit. Welche Gefühle löst es aus? Welche Gedanken? Wie wichtig ist dein „to do list“ für heute in diesem Moment und wie wichtig sind all die Menschen in deinem Leben? Wie wichtig bist du?

Ich habe damals noch nicht mal annährend etwas vom Buddhismus geahnt. Mich hat vielmehr Friedrich Nietzsche fasziniert und ich war im Begriff der tiefsten misanthropischen Laune durch die Welt zu gehen. Dennoch ließ mein Herz ein oder anderes Geschöpf höher schlagen und ich nutzte dieses „proof-moment“ um mich zu vergewissern, wie wahr waren meine Gefühle für den Eroberer meines Herzens. Falls ich, kurz bevor unseren Planet vernichtet wird, kein Drang ihn zu sehen und zu umarmen verspürt hatte, dann waren die Gefühle nicht ernst zu nehmen. Erst später habe ich begriffen, dass man es erweitern kann und wie die Buddhisten schön über den Tod meditieren, auch hier die Bilder des unausweichlichen Todes im nächsten Augenblick zu nutzen, um sich einfach von dem Ballast zu befreien, Dinge zu relativieren und sich einen Kick für die Ehrlichkeit zu geben.

Ich bin zwar ein Yogi, aber ich lebe Buddhistische Philosophie, die ist das Fundament, worauf ich meine yogische Weltsicht befestige. Dennoch bin ich kein Befürworter irgendeiner Weltsicht und mag es gar nicht weder Yogi noch Buddhist noch sonst wie genannt zu werden. Alles blabla, nur um sich die Welt zu recht zu legen und den Umgang damit zu erleichtern. Mein Geist ist wandelbar und all die Theorien sind nur Instrumente mit denen ich meine Realität bastle. (Ich weiß, es ist auch Buddhismus.)

Buddhisten wussten schon längst wie wichtig sich des Todes bewusst zu sein. Ich weiß, dass wir sterben, und das möglicherweise sogar spontan, schon im nächsten Augenblick, seit ich 14 bin. Eines Tages kam ich aus der Schule zurück und mein liebster Onkel war einfach tot. Er war gerade 38 Jahre alt und schon tot.

Ich kann über den Tod ohne Ende sprechen, ein sehr faszinierendes Thema für mich, das ich immer noch studiere. Sogar mein Bachelor in der Filmwissenschaft schrieb ich zum Thema „Visualisierung des Todes in Tim Burtons Individualstil“. Hier möchte ich jedoch nur auf einen Aspekt hin: der Sinn des Lebens steckt in dem Tode. Längst habe ich für mich beschlossen, dass das ist der Sinn des Lebens und ich suche nicht mehr danach. Der Tod ist der Sinn des Lebens.

Wenn wir unsterblich wären, hätte weder das Leben noch etwas im Leben irgendeinen Sinn und Wert. Noch mehr, genau die, die sich dem Tode nicht bewusst sind, die ihre Illusion des unendlichen Lebens leben, haben es am schwersten. All die Besitztümer, all die Attraktionen und Aversionen entstehen dieser Illusion, mit ihnen kehren die Trübung der Wahrheit und die Täuschung der Werte einher. Doch genau die Tatsache, dass der Tod unausweichlich ist, gibt dem Leben einen Sinn, gibt den Farben ihre Strahlkraft und begleiten den Geschmack mit einem Genuss. All unsere Sinne werden erweckt, wenn wir dem Tode bewusst werden. Deswegen dieser „proof-moment“. Man kann damit vieles zu Nichte machen, relativieren oder gar es los lassen, wenn man weiß, dass sein nächstes Augenzwinkern womöglich das Letze wird.

Todes Meditation ist herrlich, nichts schenkt so viel Gefühl der Freiheit (wobei in Buddhismus gibt es einige Instrumente dafür) wie sich bewusst zu sein, dass man stirbt. Man kann das Gefühl sogar upgraten und lernen den Tod nicht mehr zu fürchten. Zufriedenheit und Ruhe, die dann in einen einkehren sind unvergleichlich! Los, schließe die Augen, das ist die letzte Minute! Was ist da?

 

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